Neulich war ich auf einer Fortbildung im schönen Rheinland-Pfalz, in einem Ort an der Weinstrasse. Am ersten Abend, auf einem schönen Abendspaziergang, kam ich an dieser Statue vorbei. Ich fand Lichtverhältnisse und dieses Bildnis einfach nur schön und wollte es somit nur fotografieren. Ich hatte kaum den Auslöser gedrückt, als mich auf „pfälzisch“ ein älterer Mann von hinten ansprach, „warum ich das fotografieren würde?! Ist doch nur ein Stein!

Normalerweise bin ich nicht schnell sprachlos, aber einerseits das Verstehen des Dialektes und andererseits den Inhalt der Frage hat mich etwas irritiert… „Ist es verboten einen Stein zu fotografieren?!“ war dann meine Antwort. Daraus entwickelte sich ein kurzes, aber für mich tolles Gespräch. Er war ein Mann, der sein Leben lang gearbeitet hat und immer versucht hat, seine 5-köpfige Familie zu ernähren. Jahr für Jahr, Monat für Monat ist er zu den Winzern der Region gegangen und hat nach Arbeit gefragt. Diese Statue, in seiner Heimatstadt, ist für ihn persönlich das Abbild seines bisherigen Lebens:

Nach vorne schauen!

Er hätte nie nach hinten geschaut, sondern immer nur nach vorne!“ Was vorbei ist, ist vorbei. Es war schlecht oder es war schön. Egal – morgen soll es mir und meiner Familie gut gehen. Das ist der Gedanke und das Motto, was einen vorwärts treiben sollte.

(er-)tragen!

Um sich im Leben etwas erlauben zu können, müssen wir doch dafür arbeiten, oder?!“ – diese Worte haben mich wieder kurz sprachlos gemacht… Und er hatte so recht und sprach etwas an, was unsere heutige Gesellschaft in einer Frage einfach beschreibt: Viele sind nicht mehr bereit für Ihren Wohlstand zu arbeiten. Der Staat – oder wer auch immer – wird es schon richten, dass es mir gut geht. Ich jedenfalls will mich nicht mehr buckeln… Der Helfer im Weinberg, der Winzer auch selber: Sie haben schwer in Ihren Hotten / Butten die Weintrauben getragen. Sie haben viel er- und getragen um Geld zu verdienen. Wortwörtlich…

Gelitten

Das Denkmal hat inzwischen sehr unter der Witterung gelitten. Der Stein ist porös geworden und müsste eigentlich neu bearbeitet werden. „Aber das ist doch sinnbildlich!“ Ich habe nachgehakt und wollte wissen, was er damit meint. „Als ich einmal länger krank war habe ich meine Familie zu meinen Eltern geschickt, damit sie was zu Essen bekamen…“ Meine Antwort: „Aber wir haben doch in Deutschland unsere Sozialversicherung, die beste der Welt!!?!“ Ein gequältes Schmunzeln beendete unser Gespräch an diesem Ort – später bei anderen Themen und einem Glas Grauburgunder ging es weiter…

Ich bin

dankbar,

dass ich diesen Mann getroffen habe und er mich mal wieder geerdet hat. Manchmal sind es einfach ein paar offene, ehrliche Worte die einen wieder erden.

Ich habe ihm bewusst erst später meinen Beruf offenbart: „Versicherungsberater“. „Ich bin Johann – und so einen aufmerksamen Mann hätten meine Familie und ich sicherlich mal eher gebraucht. Du hast Dich für diese Statue als Sinnbild interessiert, dass finde ich gut. Nun bin ich aber 69 Jahre alt und ich habe es bis heute geschafft. Ich muss noch weiter in den Weinberg, aber wir schaffen das schon!

Nachbetrachtung

Johann und ich habe dann nicht mehr lange miteinander reden können, da sein Tag früh beginnt. Aber ich habe an diesem Abend wieder neu jemanden kennengelernt: Einen Mann, der seine Familie versorgen wollte, für den das Erarbeiten von Wohlstand selbstverständlich ist und der nie große Sprünge machen konnte – und somit machen wollte. Das hat mich lange beschäftigt. Sein größtes Problem war, dass habe ich an diesem Abend aber erfahren: Durch eine Unachtsamkeit ist Johann bei der Arbeit so gestürzt, dass er 5 Monate ausfiel und nach sechs Wochen hatte er sofort große Probleme. Denn nach sechs Wochen fiel die Lohnfortzahlung aus und er (und seine Familie) bekamen nur noch Krankengeld. Netto ca. 60 % von seinem letzten Nettolohn… Das wiederum weiß ich als Fachmann: wenn eine Familie sowieso gerade nur mit dem Nettoeinkommen so gerade klarkommt, dann wird eine Krankheit/ ein Unfall sofort ein Riesenproblem.

Warum

schreibe ich diesen Blogbeitrag?

Ganz einfach: diese Geschichte hat mich berührt. Zutiefst. Ein Mann, der mich beim Fotografieren eines / seines Denkmales beobachtet spricht mich an und teilt mir seine Lebensgeschichte (mit diesem Denkmal) mit. Und die Lösung wäre so einfach gewesen und kostet im Monat meist keine 10 EURO… Er kannte und konnte es vielleicht nicht – aber wir heute?!

In den vergangenen Wochen habe ich meine „Lebensstrategie“ Beiträge aktualisiert: Das Lebensdinner! Nehmen Sie sich die Zeit, lesen Sie alle fünf Beiträge, diskutieren Sie danach einmal mit mir und „kochen“ Sie mit mir Ihr persönliches Dinner…

Ich freu mich auf Sie, auf Dich!

Nachdenklich – Ihr/Euer

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